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Zum Tod von Hans Modrow Seine Leidenschaft galt der Partei * 27. Januar 1928 in Jasenitz, Kreis Randow, Provinz Pommern;
† 10. Februar 2023 in Berlin
( 95 Jahre )
Er war zu spät dran, um die SED oder sein Land zu retten: Hans Modrow galt erst als bescheidener Politiker, dann als Reformer, am Ende als Hardliner. Jetzt ist der frühere Ministerpräsident der DDR gestorben.

Ein Nachruf von Stefan Berg

11.02.2023, 14.01 Uhr

Politiker Modrow 1989: Der letzte mit Parteibuch der SED
Foto: imago stock&people

Hans Modrow war der letzte Botschafter der DDR in der Bundesrepublik Deutschland. Und er sprach damals noch immer so, als müsse er für andere reden, für die Ostdeutschen, für die früheren DDR-Bürger. Er sagte "wir" und "uns", obwohl es die DDR-Kollektive längst nicht mehr gab. Und er sprach - mit kratzender Stimme - über die "Vertreter" der Bundesrepublik Deutschland, als sei er selbst nur Gast in diesem Land.

Modrow (rechts) mit Helmut Kohl 1989: Ein gerader Typ
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Egon Krenz (rechts) gratuliert Modrow 1989 bei der Vereidigung: Dafür war es längst zu spät
Foto: photothek / photothek / IMAGO

Das war nicht das einzige, was an Hans Modrow, der nun mit 95 Jahren gestorben ist, ein wenig tragisch wirkte.

Hans Modrow war einfach zu spät gekommen. Zu spät, um die SED zu retten, zu spät, um die DDR zu retten. Damals, im Herbst 1989.

Kein Bonze

Auf den ersten Blick war der 1928 geborene Hans Modrow ein SED-Funktionär wie viele andere. Nach dem Krieg wurde er erst einmal Teil der Arbeiterklasse, er wurde Maschinenschlosser, trat in die SED ein und wurde geschult auf allerlei roten Kaderschmieden. Er besuchte die Parteihochschule Karl Marx, studierte an der Ökonomie-Hochschule Bruno Leuschner, und wurde im Glauben an der Komsomol-Hochschule in Moskau bestärkt.

Er wurde rasch ein Genosse mit allerlei Posten und Zuständigkeiten, Chef einer SED-Kreisleitung in Berlin, Sekretär der Bezirksleitung Berlin, Mitglied des Zentralkomitees, SED-Bezirkschef in Dresden.

Aber Modrow war anders als andere, kein Bonze, der sich vor dem eigenen Volk versteckte. Er lebte bescheiden, wurde in Dresden erzählt. Ein gerader Typ, so hieß es, mit dem Blick für die Realitäten und mit gelegentlichen Differenzen zu den obersten Genossen in Berlin. Um die Hauptstadt aufzupolieren, wurden regelmäßig Bauarbeiter samt Baumaterial aus den DDR-Bezirken abgezogen, auch aus dem sanierungsbedürftigen Dresden. Das machte manchen Provinzfürsten zornig, Modrow soll seinem Zorn Ausdruck verliehen haben.

Zum Tod von Hans Modrow: Sozialist, Reformer, Kritiker
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Modrow 2019 beim Linken-Parteitag: Der Rückwärtsgang passte nicht zur neuen Zeit
Foto: RAINER UNKEL / Rainer Unkel / IMAGO

Dass Hans Modrow sogar als Reformer galt, das erfuhren die meisten DDR-Bürger von den "Kremlkosmologen" aus dem Westfernsehen. Diese Mischung aus Information und Deutung stammt aus der Ära Michail Gorbatschow, der 1985 die Reform der Sowjetunion in Angriff nahm und dessen Schlagwörter "Perestroika" und "Glasnost" auch kritische Intellektuelle und Parteimitglieder in der DDR gleichermaßen faszinierte.

Angeblich war es der langjährige DDR-Spionagechef Markus Wolf, der in Moskau lanciert haben soll, der Russisch sprechende Modrow tauge zum DDR-Gorbi. In der Partei wurde darüber getuschelt. Irgendwann stand es so ähnlich auch in der Westpresse. Es musste also stimmen.

So ruhten im Herbst 1989, nach dem Sturz Erich Honeckers, viele Hoffnungen auf Hans Modrow. Doch nicht er, sondern Egon Krenz wurde Übergangsparteichef. Zornige Genossen zogen vor die Zentrale der SED in Berlin und skandierten: "Egon, lass den Affentanz, wir wollen unseren Modrow-Hans". Krenz galt als Honeckers Zögling.

Modrow kam tatsächlich aus Dresden nach Berlin, aber er wurde nicht Chef der taumelnden Staatspartei - sondern im November 1989 Ministerpräsident der DDR, der letzte mit Parteibuch der SED. Seine Regierung bemühte sich um Reformen, aber dafür war es längst zu spät.

Inzwischen riefen die Demonstranten nicht mehr "Wir sind das Volk", sondern "Wir sind ein Volk". In Moskau ließ Gorbatschow den Genossen Modrow wissen, dass sich die Sowjetunion nicht gegen die Einheit der Deutschen stemmen werde. Zurück in der DDR sprach Modrow selbst von der "Gemeinsamkeit der deutschen Nation." Es war der allerletzte Versuch eines SED-Mannes, sich an die Spitze einer Bewegung zu stellen. Modrow regierte noch bis zu den ersten freien Wahlen im März 1990.

Die DDR hat er in dieser Zeit - was nicht ganz leicht war - halbwegs stabilisiert. Ähnliches hat er mit seiner Partei versucht: Als SED-Mann war er maßgeblich an der Umgründung der Staatspartei von der SED zur SED-PDS beteiligt, um Teile des Parteivermögens vor dem Zugriff des "Klassenfeindes" zu sichern. Hans Modrow und Gregor Gysi wurden die Galionsfiguren der angeblich neuen Partei.

Modrow wurde erst Bundestagsabgeordneter, später zog er ins Europaparlament ein, aber seine Leidenschaft galt der Partei, deren Ehrenvorsitzender er wurde. Doch der Reformer, der die DDR in den Jahren 1989 und 1990 durchaus kritisch bewertet hatte, rückte immer mehr ins Hardliner-Lager. Er fühlte sich ungerecht behandelt von jenen Politikern des Westens, die ihn vor dem Mauerfall in Dresden besucht hatten, nun aber mieden. Er hoffte auf ein Fünkchen Anerkennung, er wollte seine guten Kontakte in die ehemalige Sowjetunion für die Bundesregierung nutzbar machen. Aber die mochte keinen früheren SED-Mann - weder in offizieller noch in halboffizieller Mission.

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Wenige Wochen nach seinem 95. Geburtstag ist Hans Modrow, der letzte DDR-Ministerpräsident mit SED-Parteibuch, in der Nacht zum Samstag in einem Berliner Krankenhaus verstorben. Nach Informationen seines Verlegers Frank Schumann (Edition Ost) ist Modrow zu Wochenbeginn, nachdem er einen Schlaganfall erlitten hatte, in die Klinik eingeliefert worden.


Quelle:


© infos-sachsen / letzte Änderung: - 17.07.2023 - 09:04